Aufstieg zum Biwak Rossi e Volante (3787m)

Heute heißt es Abschied nehmen von unserer schönen Unterkunft in Unterbäch. Wir wollen wieder nach Zermatt fahren, um von dort aus die Breithorn-Überschreitung zu starten. Das Breithorn gilt als einer der leichtesten Viertausender in den Alpen, da der Normalweg vom „Klein Matterhorn“ lediglich ca. 300 Höhenmeter über eine mäßig geneigte Gletscherflanke überwindet. Man kann also morgens mit der Seilbahn bis auf das Klein Matterhorn fahren und ist zum Mittagessen wieder zurück im Tal.

Ganz so bequem wollen wir es uns dann doch nicht machen. Das Breithorn hält nämlich eine Reihe weiterer Anstiege bereit, von denen die gesamte Überschreitung von Ost nach West eine sehr lohnende Tour ist. Aufgrund der Länge dieses Anstiegs ist es allerdings nur schwer möglich, ihn an einem Tag durchzuführen. Besser ist es, die Tour vom auf der italienischen Seite liegenden Biwak Rossi e Volante zu starten.

Das ist auch unser Plan. Also geht es erneut nach Täsch, wo wir das Auto an einer anderen Garage abstellen und für vier Franken weniger als beim letzten Mal nach Zermatt gefahren werden. Dort angekommen, müssen wir einmal durch den Ort laufen, um die Talstation der sog. „Matterhorn Glacier Express- Bahn“ zu erreichen. Das ist eine Kombination mehrerer Seilbahnen, die auf das 3860m hohe Klein Matterhorn führt. 100 CHF kostet der Spaß, aber die Alternative, nämlich ein Anstieg von ca. 2200 Höhenmetern, gefällt uns noch weniger.

An der Gipfelstation der "Klein-Matterhorn"-Bahn

Um 13:00 Uhr stehen wir an der Gipfelstation. Es bläst ein kalter Wind, und so ziehen wir schnell die Hardshells an. Wir sind erstaunt, wie viele „normale“ Touristen hier oben sind, da man eigentlich weder besonders viel sieht noch machen kann. Und dann gibt es noch eine Menge von Skifahrern, die von hier aus die mehr oder weniger guten Pisten des Sommerskigebietes nutzen.

Hinter mir der Schlepplift

Das Breithorn, ganz hinten rechts der Roccia Nera, vorn der Hauptgipfel

Wir haben den Rummel schnell hinter uns gelassen und folgen einer Weile der Spur zum Breithorn-Hauptgipfel. Dann teilt sich die Spur, und wir gehen weiter in Richtung Schwarztor. Dann teilt sie sich erneut, eine Spur führt weiter hinunter zum Schwarztor, eine zieht unterhalb des Breithorns entlang. Da sich das Biwak ungefähr auf unserer Höhe befinden soll, wählen wir die obere Spur. Wie sich später herausstellt, dient die aber als Zustieg zur sogenannten „kleinen“ Breithorn-Traverse. So müssen wir auch diese Spur bald wieder verlassen und weiter den Gletscher queren. Wir gehen bisher ohne Steigeisen, was angesichts des fast ebenen Wegs und des bereits weichen Firns auch kein Problem darstellt.

Querung unter dem Breithorn, im Hntergrund Pollux und Castor

Doch plötzlich merke ich, dass der Firn unter mir nicht mehr richtig fest ist. Ich stochere mit dem Pickel und stoße überall Löcher in den Firn. Wir scheinen auf einem Bergschrund zu stehen. Es ist aber gar nicht klar, wo der beginnt und wo er endet. Die Lage ist nicht gerade angenehm. Unter uns sind richtig große Schründe, und über uns wird es eisig. Ich gehe zurück, und wir beschließen, die Steigeisen anzulegen. So bewaffnet, queren wir den Schrund und gehen oberhalb weiter. Wir sind nun oberhalb der Felseninsel, auf der ich das Biwak vermutet habe. Es ist allerdings nicht zu sehen. Wir steigen auf das kleine Felsplateau hinab, und tatsächlich liegt es, verborgen auf der anderen Seite, noch ein Stück unter uns. Hätten wir auf die Wegskizze geschaut, hätten wir gesehen, dass das Biwak normalerweise doch von unten, vom Schwarztor aus, angegangen wird.

Das Biwak Rossi e Volante

Es ist nun 15 Uhr, und unsere Hoffnung, das Biwak vielleicht für uns allein zu haben, zerschlägt sich schnell, als wir von drinnen Stimmen hören. Es handelt sich um eine Dreierseilschaft aus Italien und eine weitere aus Spanien. Die Italiener wollen wie wir morgen das Breithorn überschreiten. Die Spanier kommen aus Valencia, und einer von ihnen spricht gut Deutsch. Sie wollten heute eigentlich auf den Castor gehen, woran sie aber wohl vom Wetter gehindert wurden. Morgen wollen sie wohl nur noch absteigen. Warum sie dann noch eine Nacht auf diesem doch recht ungemütlichen Biwak verbringen, ist mir nicht ganz klar.

Im Gespräch mit dem Deutsch sprechenden Spanier

Biwak-Romantik

Apropos Biwak: es handelt sich dabei um eine kleine Hütte, in der es zwei übereinander liegende Lagerreihen, einen Tisch mit einer bereits gebrochenen Sitzbank und sonst – nichts – gibt. Keine Toilette, kein Wasser, kein Kocher, kein Geschirr. Toilette macht jeder da, wo es geht. Wasser hat man dabei oder man schmilzt Schnee, den man am besten nicht zu nah an einer Toilette abgreift. Kocher, Geschirr und Verpflegung bringt auch jeder mit. Die Lager bestehen aus dünnen Matratzen mit noch dünneren Decken und aus Kissen, die schon den ein oder anderen Stockfleck zeigen.

Aus Gewichtsgründen haben wir keine Schlafsäcke mitgenommen, dafür jedoch Daunenjacken, die wir auch morgen früh anziehen wollen. Außerdem haben wir auch keine Trinkgefäße eingepackt, und so löffeln wir den frisch gekochten Tee aus dem Topf. Die Zeit bis zum Abendessen verbringen wir mit interessanten Gesprächen mit den anderen Seilschaften.

Das Wetter wird schlechter

Inzwischen hat sich das Wetter verschlechtert. Es graupelt und schneit ein wenig, und hin und wieder hallt ein Donner zu uns herüber. Ich muss mal etwas Flüssigkeit los werden, und während ich das tue, kommt eine Person um die Ecke direkt auf mich zu. Er gehört zu einer tschechischen Dreierseilschaft, die in dem Sauwetter noch zum Biwak aufgestiegen sind. Nun sind wir also zu elft in der Hütte, die eigentlich nur neun Lager hat. Es wird also kuschelig werden heute Nacht.

Zum Abendessen gibt es zwei Packungen Uncle Bens „Superschnell“-Reis, zu dem man nur zwei Esslöffel Wasser hinzufügen und das Ganze dann zwei Minuten kochen muss. Wenig später liegen wir im Lager. Aus Gewichts- und Wärmegründen schlafen wir einfach in den Klamotten, in denen wir auch aufgestiegen sind. Das machen im Übrigen alle hier, auch die einzige Frau an Bord, die Teil der Tschechentruppe ist.

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