Pointes de Mourti 3564m & Col des Rosses (ZS-, 3a)

Als erste Tour hatten wir eine Überschreitung geplant, welche im Tourenführer als „gemütlicher, dennoch abwechslungsreicher Hochtourenstart“ angepriesen ist. Unsere Tour sollte uns zuerst auf die Pointes de Mourti (3564m) und dann hinüber auf den Dent des Rosses (3613m) führen. Verbunden werden die beiden Gipfel durch einen Felsgrat über dem Moirygletscher.

Wir starteten den Tag um 4:30 Uhr in unserem Viererzimmer. Der Wecker meiner Uhr piepte, während ich erst einmal ein bisschen orientierungslos im Hochbett aufwachte. Die beiden anderen in unserem Zimmer wollten nicht so früh aufstehen und noch weiterschlafen, während wir leise unsere Sachen packten, die Betten richteten und dann in den noch dunklen Speisesaal eintraten. Die Hüttenleute hatten das Frühstück am Abend vorher bereitgestellt. Teewasser gab es aus einem großen Wasserspender. Während wir unser Müsli aßen, betraten noch andere Bergsteiger den Frühstücksraum. Ein noch halb schlafender Mann in Boxershorts fragte mich verwirrt auf dem Flur, wie spät es denn sei, da es Frühstück doch erst ab 5:30 Uhr gäbe.


Unsere Planung sah vor, dass wir innerhalb von einer Stunde das Frühstück beendeten, unsere Trinkschläuche und die Trinkflaschen mit Marschtee füllten, unsere Gurte, Gamaschen, Stirnlampen und Handschuhe anzogen, die Rucksäcke fertigmachten, die Pickel befestigten und losgingen. Wir brauchten 11 Minuten länger und standen um 5:41 vor der Hütte. Der Mond schien von einem klaren Himmel und wir konnten schon die Dämmerung hinter den Bergen erahnen.


Auf gut markiertem Weg stiegen wir von der Hütte entlang des Hangs hinauf in Richtung des Col du Pigne, um vor dem Erreichen des Cols, welcher als Übergang in ein anderes Tal dient, vom Weg abzuweichen und auf den Gletscher zu wechseln. Dem Geröll, durch welches wir nun eine Stunde auf ca. 3000m aufgestiegen waren, folgte eine Art Dreckschicht, welche sich früher wohl unter dem Gletschereis befand. Der Dreck war teilweise angetaut, teilweise war der vortags angeschmolzene Schnee darüber aber noch vereist. Wir zogen die Steigeisen an und machten das Seil für den Gletscher fertig. Wir fanden ziemlich leicht eine gute Spur durch den Firn und folgten dieser. Unsere Stirnlampen hatten wir schon im Geröll ausschalten können. Es fühlte sich komisch an, so früh auf der Tour schon so viel Licht zu haben. Normalerweise startet man ja viel früher und läuft dann viel länger durch die Dunkelheit. Dies blieb uns erspart, da die Tour ja insgesamt nur 5h Stunden dauern sollte und somit keinen frühen Start erforderte.


Es ging schon relativ bald eine Spur nach rechts in Richtung einer großen Spaltenzone des Gletschers. Diese Spur war ein bisschen dünner als unsere, und wir hatten uns auf der Karte angeguckt, dass wir erst noch höher steigen müssten, bevor wir den Gletscher queren und zum Grat auf die Pointes de Mourti steigen würden. Wir folgten der guten Spur weiter, bis sie sich deutlich teilte. An den Tagen zuvor waren andere am Berg gewesen und hatten eine gute Spur hinterlassen, die alle Spalten umschiffte.


Nach ca. 2,5h erreichten wir den Fuß eines Felsgrates und stiegen nun mit den Steigeisen an den Füßen in den Felsgrat ein, welcher durch Neuschnee der letzten Tage immer noch von Firnfetzen durchsetzt war.


Am Ende der Felsen folgte ein kurzer Firngrat mit einer sehr gut ausgetretenen Spur, der wir bis zum Gipfel folgten.


Diese letzte Passage mit den beiden Graten dauerte nur noch eine knappe Stunde und so waren wir um 9:06 Uhr auf dem Gipfel der Pointes de Mourti. Dieser Gipfel sollte der erste Teil der Überschreitung sein. Nach einer kurzen Stärkung fanden wir die Abseilstelle vom Gipfel hinunter auf den Verbindungsgrat zum Dent des Rosses.



Wir seilten uns vom Gipfel ab und suchten den Weiterweg. Es lag noch ziemlich viel Schnee auf dem Grat, und es gab keine Spur. Die Tour schien nach dem Neuschnee der letzten Woche noch nicht wieder begangen zu sein. Der unbekannte und nicht gespurte Grat, der neben den Felspassagen auch noch viel Schnee enthielt, war uns ein bisschen suspekt. Wir entschieden uns, auf Nummer sicher zu gehen und erst einmal am langen Seil zu klettern. Während Chuck vorkletterte, sicherte ich ihn von meinem Stand aus, bis er Stand hatte und dann mich sicherte. Diese Vorgehensweise bedeutete, dass wir ziemlich langsam waren. Das Sichern bedeutete auch, dass wir relativ viel Material brauchten, um immer wieder Zwischensicherungen zu legen. Material hatten wir nicht ganz so viel. Es reichte aber, um nach ca. 2,5h das Col des Rosses auf 3498m zu erreichen.


Eine andere Seilschaft, mit der wir beim Frühstück gesprochen hatten, war uns doch nicht mehr gefolgt. Sie wollten die gleiche Tour wie wir machen und meinten vielleicht nur bis zum ersten Gipfel zu gehen, falls der Grat nicht so gut aussähe. Nun, am tiefsten Punkt des Grates angekommen, machten wir einen kurzen Check, wie wir in der Zeit lagen und wie fit wir uns noch fühlten. Hinauf bis zum ersten Gipfel hatten wir die Führerzeit schon mit einer halben Stunde überschritten und 3,5h anstelle von 3h gebraucht. Das kommt auf einer ersten Tour schon einmal vor. Man muss sich ja erst einmal wieder an die Berge gewöhnen. Der Check ging weiter zum zweiten Segment der Tour: Abstieg von der Pointes de Mourti bis zum Col des Rosses. Hier sagte der Führer dieser Abschnitt dauere 45 Minuten, während unsere Zeitmessung mit 2,5h mehr als dreimal länger war. Unser Verlangen nach Sicherheit, das Klettern mit Steigeisen und die kurzen Schneepassagen auf dem eigentlichen Felsgrat hatten ihren Tribut gefordert.


Da wir noch deutlich anspruchsvollere Pläne für den nächsten Tag hatten und der Grat vor uns mit viel Schnee eher bedrohlich wirkte, entschlossen wir uns, die Tour hier im Col zu beenden. Im Führer war angegeben, dass man vom Col aus ca. 20m bis 40m abseilen könne, um den Gletscher zu erreichen. Da wir nicht besonders sicher waren, wo genau der tiefste Punkt im Grat sei, hatten wir beim Klettern schon immer auf die linke die Wand hinuntergeschielt, um nicht die Abseilstelle zu verpassen. Ich hatte mir gerade eine Pinkelstelle gesucht, als ich unter mit den Abseilstand erblickte. Es handelte sich um eine solide Kette an zwei Bohrhaken. Wir stiegen durch den Schnee zur Kette und folgten einem dicken roten Pfeil, der ein bisschen nach rechts auf einen weiteren Absatz ca. 15m tiefer zeigte. Dort war eine erneute Abseilstelle. Der Gletscher war aber immer noch weit weg und Chuck begann mit dem Abseilen. Er erreichte gerade so den verschneiten Bergschrund und untersuchte diesen vorsichtig, um nicht einzubrechen und zwischen Gletscher und Berg hinab zu sausen.

Auf halber Höhe entdeckte ich beim Abseilen einen Felsblock, um den eine Schlinge gebunden war. Wir entschieden, dass ich von dort noch einmal abseilen würde, wodurch wir unten mehr Seil hätten und den Bergschrund am Seil übersteigen konnten. Alles hielt und auch Chuck sicherte sich selbst am Seil üben den Bergschrund. Wir seilten uns wieder für den Gletscher an und begannen eine neue Spur durch den nun weicher werdenden Firn auf dem Gletscher zu treten.

Nach ca. 1,5h erreichten wir das Ende des Gletschers und machten eine Pause, um das Seil, die Gurte, die Steigeisen, die Pickel und das restliche technische Material zu verstauen. Die Hütte erreichten wir um 15:24 Uhr nach 9h43, die uns dann doch mehr ermüdet hatten als geplant.


Nachdem wir unsere Schuhe, Socken und T-Shirts zum Trocken vor die Hütte gelegt hatten, gönnten wir uns ein paar Stücke mitgebrachten Kuchen und ein paar Tassen Gratistee, welchen die Hütte zwischen 16:00 und 18:00 Uhr anbot. Mit uns waren viele andere im Panaromaspeisesaal der Hütte und auf der Sonnenterrasse. Heute würde die Hütte voll sein und wir hatten nur noch Plätzen im Lager anstelle in einem Zimmer bekommen. Beim Abendessen begann es draußen stark zu regnen und einige Blitze erhellten den Raum. Der Regen hielt bis in die Nacht an.

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